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Zaubern im Netz - Wo sind die Häcksen von heute ?!

(Anmerkungen zu einem Tag auf der "next Cyberfeminist International", Rotterdam, März 1999)

Gibt es weibliche Hacker? Falls nicht, ist dieses Phänomen wert, es mal genauer zu betrachten. Falls ja: Wo stecken sie? Wieso kennt sie niemand? Und was treiben sie da so im Geheimen?

Hintergrund für die Fragen war mein Interesse, für die Konferenz "next Cyberfeminist International", einen Tag zu diesem Thema zu organisieren. Ganz allgemein ist es so, daß im Cyberfeminismus die Cultural Workers, also Künstlerinnen und Theoretikerinnen überwiegen, und die machen sich in der Regel die Finger nicht schmutzig mit "hands-on technology". Aber es genügt nicht, in diesem Bereich über gesellschaftliche Umwälzungen und Theorien zu sprechen. Auch ein wirkliches Interesse an der Technik selbst gehört dazu, ein kritischer, neugieriger Umgang damit, um neue Möglichkeit von Aktivismus und Einflußnahme zu erproben. Deshalb ist eine intensivere Zusammenarbeit mit Technikerinnen/ Informatikerinnen/ Hackerinnen unerläßlich, um unseren Horizont und unsere Handlungsspielräume zu erweitern und zum anderen um zu zeigen, daß es solche Frauen tatsächlich gibt und damit einzelne Frauen zu ermuntern, sich selbst aktiver, mutiger und engagierter die Finger schmutzig zu machen. Die Feststellung, daß Technikbereiche traditionell Männerdomäne sind, ist nicht neu. Auch daß die sog. "neuen Technologien", die in den 80er und 90er Jahren entstanden sind, also in einer Zeit, in der die Frauen in viele Bereiche der Gesellschaft vorgedrungen sind, nicht wesentlich etwas daran geändert haben, ist auch bekannt. (Während der Cebit z.B., der weltgrößten Computermesse, besteht im Vergleich zu anderen Messen ein derart erhöhter Bedarf an Prostituierten, daß diese flugzeugweise aus dem Ausland eingeflogen werden müssen.) Aber daß es in diesem Technikbereich eine Enklave gibt, in der sich so gut wie gar keine Frauen tummeln, ist doch erstaunlich. Die Rede ist von den Hackern.

Gemeint ist nicht ein erweiterter Hacking-Begriff wie er in den letzten Jahren in Mode gekommen ist. Es geht nicht um Enthusiasten oder Experten für was auch immer, nicht um Personen, die Spaß daran haben, intellektuelle Herausforderungen kreativ zu meistern, Beschränkungen zu umgehen oder abstrakte Systeme zu knacken. Gemeint sind Computer-Freaks. Diejenigen, die hinter die Monitoroberfläche gehen, die Computersysteme ausspionieren, die leidenschaftlich programmieren, die basteln und denen es wichtiger ist herauszufinden, wie es etwas funktioniert als zielgerichtet damit zu arbeiten. Besucht man Hackertreffen, liest die einschlägige Literatur oder begibt man sich in Newsgroups oder auf Mailinglisten dieses Genres wird man leider nicht vom Gegenteil seines Vorurteils überzeugt, daß da so gut wie keine Frauen sind. Das soll nicht gewertet werden. Egal, ob das gut oder schlecht ist, egal ob man das ändern will oder nicht, es ist ein interessantes Phänomen.

Für die Vorbereitung der Konferenz habe ich mich auf die Suche nach Hackerinnen begeben, bzw. postuliert, daß es keine gibt, um mich vom Gegenteil zu überzeugen lassen. Meine Recherchen haben nicht nur ein paar Hackerinnen zu Tage gebracht, sondern auch einige kuriose Begründungen dafür, warum es keine gibt. So schrieb z.B. Bruce Sterling, bekannter amerikanischer Science-Fiction-Autor und Kenner der amerikanischen Hacker-Szene: " Es stimmt wirklich, daß es keine Hackerinnen gibt, aber das wundert mich nicht. Hacking ist typisch für männliche Jugendliche, die voll auf einen voyeuristischen Power-Trip abfahren. Man findet nicht mehr Frauen, die in Computer einbrechen, als Frauen, die besessen davon sind einen verstohlenen Blick auf Männerunterwäsche zu werfen... Es ist sicher nicht so, daß Frauen zum Hacken physisch oder intellektuell nicht in der Lage wären, es ist nur so, daß sie überhaupt keinen Grund haben, das zu tun...Ich persönlich kenne zumindest keine einzige Frau, die das tut. Und ich habe auch nicht einmal von einer gehört, die es gemacht hätte, ohne daß ihr Freund daneben gestanden hätte und sie immer wieder ungeduldig gedrängt hätte."

Eine weitere Begründung wurde mir von Gail Thackeray geliefert, einer bekannten amerikanischen Hacker-Jägerin, die in der Abteilung für Technology Crimes beim Arizona Attorney General's Office arbeitet. Sie hat mir direkt auf ein Posting auf der dc-Liste geantwortet: "Nein, es gibt keine ernsthaften, technichen Hackerinnen. Hacking ist immer noch eine weitgehend weiße, männliche Angelegenheit, zumindest hier in den USA. Ich kenne nur einen schwarzen Hacker in Arizona (der sich inzwischen zur Ruhe gesetzt hat) und einen in New York...Es gibt(gab) viele weibliche Phone Phreaks, obwohl auch deren Interessen mehr in den sozialen Aspekten lagen als in den technischen."

Die wenigen Exemplare der Spezies "Hackerin" die ich gefunden habe, konnte ich auch glücklicherweise dafür gewinnen, zur Konferenz beizutragen. Barbara Thoens vom CCC Hamburg gab einen Überblick über die Entwicklung von Free Software und der dahinterstehenden Philosophie, Rena Tangens von FoeBud Bielefeld gab Hinweise dazu "Wie man eine Hackerin wird", Stephanie Wehner von xs4all aus Amsterdam erörtete das Problem von "Privacy on the Net" und gab Tips zur Verschlüsselung, zum anonymen Publizieren und Versenden von e-mails, und Corrine Petrus und Marieke van Santen von Tech-women Rotterdam gaben Praxis-Tips und eine Demonstration zu Hacking, Cracking, Spoofing, Sniffing und Nuking.

Entgegen anders lautender Meinungen kann man als Ergebnis des Tages "Women Hacker" zusammenfassen, daß Frauen durchaus Motive haben können, um zu hacken. Berichte über die Konferenz gibt es bei www.obn.org. Eine ausführliche Dokumentation mit allen Beiträgen wird im Juni erscheinen (zu bestellen ebenfalls über www.obn.org/reader).

Cornelia Sollfrank

 

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